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War Goebbels ein guter Rhetoriker? (eMail-Anfrage)

Frage per Email


Sehr geehrter Herr Münzer,
ich bin Student bei Ihnen im Bereich GWK an der UdK.
In einer Diskussion mit einem Freund sagte ich ihm, daß Goebbels kein Rhetoriker gewesen sei. Meine Begründung war, daß Rhetoriker einen Anspruch an "das Richtige, moralisch Vertretbare" haben müssen. Leider konnte ich das nicht weiter beweisen und sowohl der Duden, wie auch andere Quellen gaben mir keine positiven Argumente an die Hand. Können Sie mir noch mal die Argumentation dazu nennen?

 

 

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Antwort:

 

 

Lieber Ralph Riecke,

die Argumente stehen alle in meinem Rhetorik-Handbuch.

Um ganz exakt zu sein: ich habe nicht gesagt, daß Goebbels kein Rhetoriker sei, sondern daß er kein guter Rhetoriker sei. Dazwischen besteht ein Unterschied.

Prinzipiell: die Frage nach guter oder schlechter Rhetorik ist eine schwierige Frage. Ich unterscheide deswegen lieber nach einem guten oder schlechten Redner (Rhetor).

Viele verwechseln gute Rhetoren mit guten Rhetorikern. Goebbels jedenfalls war unbestritten ein guter Redner. Dies schließt mit ein: Demogogik, Wirksamkeit und alle rhetorischen Tricks zu unmoralischen Zwecken. Dem widerspricht allerdings Quintilian aus dem römischen Kanon der 10 großen Redner Quintilian setzt auch für gute Redner moralische Kategorien an. Nach ihm wäre Goebbels demnach ein schlechter Redner. 

 

 

Kommen wir zur guten oder schlechten Rhetorik: hier scheint eine Unterscheidung leichter zu sein, führt aber in die Irre.


Rhetorik ist ja eine Lehre und umfaßt auch Methodiken (die Wege, die Rede beim Reden zur Vollkommenheit beim Reden zu führen, siehe "Was ist Rhetorik" ), dazu die Wissenschaft: Eine Lehre kann sich gründen auf Erkenntnisse Methoden und - meist empirische - Wissenschaft. Goebbels brachte statt Erkenntnissen jedoch nur seine Propaganda. Er nutzte die Methoden der Rhetorik. Er legte anstatt einer verantwotungsvollen Wissenschaft absichtliche Fehlinformationen wie etwa die völlig unwissenschaftliche seinerzeitge Rassenlehre, den "Untermenschen", "unwertes Leben" etc. zugrunde. Was Quintilian so einfach ausgedrückt hat wird durch die wissenschaftlichen Grundlagen der Rhetorik z.B. von Gerd Ueding klarer knapp zusammengefaßt so formuliert:

Rhetorik ist von ihrem historischen Ursprung und nach ihrem klassischen Selbstverständnis ein der Aufklärung verpflichtetes Bildungssystem, das nicht wie die (Platonische) Philosophie Mythos und Tradition absolut setzte, sondern als Produkte historischer Genealogien erkannte und zum Gegenstand rational-kritischer Argumentation machte. Die Wahrheit verlor ihren metaphysischen Grund und die Philosophen ihre Aura als deren irdische Statthalter: sie haben sich schadlos gehalten und ihrerseits der Rhetorik als Schein- und Schmeichelkunst jeden Zugang zur wahren Erkenntnis absprechen wollen. Wie erfolgreich, zeigt das bis heute nachwirkende Zerrbild der Sophistik, das Platon und die Platonische Philosophie selber mit rhetorischen Mitteln verbreitet haben. Doch wie erfolglos auch, lehrt die Geschichte aller Aufklärungsbewegungen von der Antike über Renaissance, Humanismus und das Zeitalter der Vernunft (das 18. Jahrhundert) bis zur kritischen Philosophie und Literatur der Gegenwart. Aufklärung über Rhetorik thematisiert also immer auch den konstitutiven Zusammenhang von Rhetorik und Aufklärung...


Dale Carnegie sagt dazu: Alle Beredsamkeit kann den Mangel an Aufrichtigkeit nicht aufwiegen. Wenn wir unsere Hörer gewinnen wollen, müssen wir sie von der Ehrlichkeit unserer Absichten überzeugen. Auch wenn sie unsere Meinung nicht teilen, müssen sie doch unsere Glaubwürdigkeit respektieren, wenn wir erfolgreich sein sollen.

Auf Goebbels bezogen: Nach diesen Definitionen war Goebbels kein guter Rhetoriker. Gute Rhetorik setzt Moral, nach Ueding auch Aufklärung (Kant) und Humanismus, gesellschaftliche Verantwortlichkeit (Münzer) und Aufrichtigkeit (Dale Carnegie) voraus.
Goebbels war schließlich Minister für "Volksaufklärung". Der Begriff "Aufklärung" wurde also bewußt mißbraucht. Das gesamte Regime hat das deutsche Volk relativ bewußt in den Abgrund geführt (vgl. Film "Der Untergang" mit Bruno Ganz). Das war das Verbrechen. Es mag unter Künstlern Verbrecher im juristischen Sinn geben (Francois Villon, Nicolo Paganini, beide waren jahrelang im Gefängnis) und miserable Charaktere (Richard Wagner, war leider nicht im Gefängnis obwohl er seinen Schwiegervater Franz Liszt und seinen König Ludwig gründlichst betrogen hat), was jedoch nicht deren Kunst schmälert.

In der Rhetorik sind die Grenzen enger gesetzt: Gute Redner mögen große Erfolge haben (auch manche sogannte Animations-Rhetoriker, die nur auf Profit aus sind: pro Eintrittskarte Preise bis zu Euro 2.000.-, somit Abendgage bis zu einer Viertelmillion Euro bei 1.000 Besuchern), aber keine Aufklärung, wenig Moral, keine Verantwortlichkeit. Gute Rhetoriker müssen gute Menschen sein.

All dieses steht ausführlicher im Handbuch der Rhetorik. In der Druckausgabe (auch PDF-Datei auf der CD) ist dies methodisch oder/und alphabetisch gegliedert. Im Internet (ebenfalls auf der Rhetorik-CD) ist es möglich, hilfreiche Querverbindungen (Verknüpfungen) einzubauen.

Alles bitte lesen - nicht nur in diesem Semester sondern immer wieder.

Mit freundlichen Grüßen
Holger Münzer

 Rhetorik 
 
 
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Letztes Update: 06. Juli 2022