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Reden: Dünnsinn & Quatsch in schöner Gestalt

Vom gewollten Tiefsinn unserer Redner und Redenschreiber 

Viele Redner, gerade im kulturellen Betrieb, pflegen die gewollt schöngeistige Sprache. Und verbergen dabei, dass sie eigentlich nichts mitzuteilen haben. Heraus kommen schöngeistige, intellekutelle Bla, Bla Reden. 

 

Der Redner greift an die gepflegte Krawatte. "Wir kommen zum Schluß." Sieben Seiten abgelesenen Manuskripts haben wir hinter uns. Der Redner blickt mit angestrengtem Vorwurf in das Auditorium und holt seinen Blick mit betonter Innerlichkeit aus dem Saal zurück. Er atmet tief, als müßte er nun die volle, erschreckende Wahrheit enthüllen, wischt einmal mit der flachen Hand über die letzte DIN-A-4-Seite und spricht folgendes:

 

"Gerade in der Sinngebung letzter Menschlichkeit, in seiner immanenten Sorge um das Bildnis des Menschen überhaupt, in dem tiefen Anliegen seiner künstlerischen Potenz und dazu in seiner seelischen Wachsamkeit für die Kräfte des Chronischen einerseits und die Verpflichtung der metaphysisch in unser Dasein hineinwebender Imponderabilien andererseits, bleibt uns dieser Schöpfer des Sprachlichen Vorbild und Verpflichtung.
 

In einer Welt der seelischen und materiellen Bedrohung, in einer zutiefst in der Krise befindlichen Weltgesellschaft weist er uns zurück zu den Müttern und holt er uns Sterne von einem nicht mehr bestirnten Himmel. Möge uns seine Stimme, die eine Stimme echten Stolzes, aber auch eine solche der Demut ist, begleiten, und möge sie in einer vielfach entgötterten Welt wieder Maß setzen - einer Glocke gleich, die verwirrte und hoffnungslos im Geistigen zerstreute Menschheit zu Einkehr und innerem Bestand aufzurufen."
 

"Wenige, sprach ein weiser Franzose, der unserem vorbildlich lebenden und empfindenden Heros seelischer Begleiter und Bruder im Geist war - wenige, sagt André Gide, werden die Welt retten! Daß dieser den wenigen Auserwählten zugehörte, ist Bewußtsein und Gewißheit, die wir glückhaft empfinden und die zu unserem Lebensbesitz und unserer Tröstung in den Niederungen der Gegenwart gehörte. Ehre ihm und Dank seiner selbstlosen Tiefe, seiner geistigen Aufopferung und der echten Kraft seiner wertesetzenden Menschenstimme!"

 

 

 

Nur alle 1.5 Jahre! 

Das "Rhetorik Event der Superlative": Jetzt wieder am 10-11 November 2023 in München

  • Reden vor über 100 Menschen. 17 Reden in 2 Tagen. Reden auf einer Grossbühne. 4 Co-Trainer
  • Sie können als Teilnehmer auf die Bühne (5'600 Euro)
  • Sie können als Zuschauer alle Inhalte mitverfolgen (320 Euro)

 


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Leere Schönredner: Wind mit Worten machen 

Kurze Verneigung. Wir geben, wie sich?s gehört, leichten Beifall ... - Aber nun einmal ernsthaft: Was hat der Mann da gesprochen? Was hat er gesagt? Er hat Wind mit Worten gemacht. Er hat mit geölter Stimme nichts verlautbart. Er hat einen Toten gelobt, aber er hat ihn so gelobt und mit Tiefsinn beworfen, daß kein erkennbarer Sinn zurückgeblieben ist. Er tat streng, aber er war unverbindlich. Er plusterte sich mit wichtigen Worten auf, aber mitgeteilt hat er nicht mehr, als ein großes Bla-Bla. Flachheit in schöner Gestalt.

Wer gezwungen ist, an dem Kulturtreiben dieser Tage teilzunehmen, wer von berufswegen Reden, Verlautbarungen ... dieser Art über sich ergehen lassen muss, der wird das oben angeführte Zitat gar nicht einmal besonders auffällig empfinden. Da hat sich ein leerer Schönredner wieder sich wieder nur eines Zeitjargons bedient. Die Worte "Anliegen", "Sinngebung", "Verpflichtung", "Menschheitsbild", "Maßsetzung" fallen bei solchen rednerischen Anlässen wie von selbst ...

 

Die parfümierte Dünnbrett-Rede: Intellektueller Quatsch in schöner Gestalt

Der intellektuelle Quatsch in schöner Gestalt geht gewaltig um. Die parfümierte Kleisterrede findet sich in fast allen Bezirken. Der Leerlauf der künstlich gedehnten Ausdrucksweise hat auf eine erschreckende Art an Tempo gewonnen. Nicht nur über die Gebiete des Kulturellen ergießt sich das schablonisierte "Bla-Bla". Es hat seine Wortführer ebenso in der Politik und in der Wirtschaft.

Zugegeben, daß es viele Bereiche gibt, die heute mit einfachen Worten nicht mehr faßbar sind. Zugegeben auch, daß für gewisse Bereiche des Wissens die einfache Ausdrucksweise nicht mehr ausreicht. Aber wo der interessierte, der gutwillige Zuhörer nicht mehr folgen kann, beginnt die Sünde... Man lausche nur in die Nachtprogramme, in die Studiosendungen unserer Rundfunkanstalten. Ich hörte kürzlich eine Sendung über die "neuen Gegebenheiten der Jazzmusik als Ausdruck des modernen Krisengefühls". Ich kann Ihnen sagen, mir schlackern heute noch die Ohren.

 

Schönsprecher: Die bemühte Sprache des Intellektuellen

Die Sprache, erfunden, damit der Mensch sich mitteilen und erklären kann, wird von den neuen Schönsprechern zur Sinnvernebelung mißbraucht. Zitat aus einer erschienenen Schrift, in der ein großer Philosoph aus Anlaß seines 125. Todestages öffentlich geehrt wurde:

"Obwohl Dialektik die Unmöglichkeit der Reduktion der Welt auf einen fixierten subjektiven Pol dartut und methodisch die wechselfähige Negation und Produktion der subjektiven und objektiven Momente verfolgt, hat seine Philosophie als eine des Geistes den Idealismus festgehalten. Nur die diesem innewohnende Lehre von der Identität von Subjekt und Objekt - die ihrer bloßen Form nach allemal bereits auf den Vorrang des Subjekts hinausläuft - schenkt ihm jene Kraft des Totalen, welche die Reflexion des Unmittelbaren und dann wieder die Aufhebung der Reflexion leistet."

Es ist, zugegebenermaßen, immer unfair, so aus dem Zusammenhang zu zitieren.  Aber kann mir einer nach dem ersten Lesen sagen, was hier gemeint ist? Kann mir einer auch nur nach dem zweiten, mühsamen Lesen erklären, worauf der Verfasser hinauswill? Ich verstehe immer nur "Bahnhof", und das, obgleich ich mich redlich durch die volle Redeschrift hindurchgefressen habe.

Solcher Beispiele gäbe es viele. Unsere Zeitschriften, unsere Bücher sind voll von ihnen. Unsere Radiostationen schallen von ihnen wider. Goethe plädierte dafür, daß man, was sich nicht auch klar und verständlich sagen ließe, nicht sagen solle. Er ist ein Schriftstellerleben lang mit dieser Regel gut verfahren.

 

Die wattierte, wolkige, undurchschaubare Redeweise hat nichts mit Tiefsinn zu tun

Die Klarheit, die Verständlichkeit eines Gedankens macht den Redner wie den Schriftsteller.

Daß Unklarheit gleichbedeutend mit Tiefe sei, ist ein Irrtum. Daß eine wattierte, wolkige, undurchschaubare Redeweise identisch sei mit Tiefsinn, ist ein Bluff. Dieser Bluff wird heute von vielen, die sich öffentlich äußern, mit  einer unverschämten Selbstsicherheit ausgespielt. Wir sollten auf der Hut sein. Jede Sprache setzt modische Schlacken an. Das bleibt nicht aus. Aber daß sie von ihnen nicht überwuchert werde - , dafür zu sorgen ist unsere Aufgabe.

Der Dünn-Sinn in schöner Gestalt geht um. Wer Ohren hat zu hören und Augen zu lesen, dem wird das geschwollene Wort heute an vielen Stellen begegnen. Machen Sie Ihre Sprache einfach. Zählen Sie die Worte Ihrer Sätze: Wenn es mehr als 10 Worte pro Satz sind, überlegen Sie sich, ob hier nicht der Rotstift angesetzt werden muss.

 

Angelehnt an einen Text von Friedrich Luft - veröffentlich in "Die Welt"


Siehe auch:

 


Letztes Update: 06. Juli 2022