Dale Carnegie: Wirkungsvoll Reden (Teil II.)
1. Wenn Sie geehrt sind, vor einer Zuhörerschaft zu sprechen - sagen Sie es!
Eigentlich ist es fast immer eine Ehre, wenn wir gebeten werden, vor einer Gruppe zu sprechen. Deshalb ist es nur angemessen, wenn wir dies sagen. Das ist ein Weg, unsere Zuhörer zu gewinnen.
Neunzehn Tage nach Pearl Harbour sprach Churchill zum Amerikanischen Kongreß. Zu Beginn brachte er seine Anerkennung zum Ausdruck: "Es ist für mich eine große Ehre, daß Sie mich gebeten haben, zu den Abgeordneten beider Häuser des Kongresses zu sprechen. Die Tatsache, daß meine amerikanischen Vorfahren durch viele Generationen ihre Rolle im Leben der Vereinigten Staaten gespielt haben, und daß ich als Engländer nun hier in Ihrer Mitte willkommen bin, macht dieses Erlebnis zu einem der eindrucksvollsten meines Lebens ... Ich wünschte, meine Mutter, deren Andenken mir lieb und wert ist, könnte mich hier sehen. Übrigens muß ich darüber nachdenken, daß ich vielleicht aus eigenem Antrieb hierhergekommen wäre, wenn mein Vater Amerikaner und meine Mutter Engländerin gewesen wäre."
T. Dewey, früherer Gouverneur von New York, gewann Freunde, als er seine Rede vor dem Forum der Herald Tribune mit den Worten begann: "Es ist für mich eine Ehre, der abschließende Redner vor diesem Forum zu sein, welches durch einen der hervorragendsten Männer unserer Zeit eröffnet wurde, Mr. Bernard Baruch."
Der Humorist Cobb wußte genau, wie er die Iren für sich gewinnen konnte, so daß sie ihn mit Beifall überschütteten. Er begann seine Rede vor der Amerikanisch-Irischen Historischen Gesellschaft mit den herzlichen Worten: "Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich sage die Wahrheit, wenn ich behaupte, daß ich heute Abend lieber hier bei Ihnen bin, bei Menschen irischer Abstammung und Erziehung, als in irgendeinem anderen Festsaal der Welt. Denn auch ich bin Ire und wußte es nicht. Doch seit ich es weiß, bin ich stolzer darauf, als auf irgend etwas anderes, mit Ausnahme meiner amerikanischen Staatsangehörigkeit."
Die freundlichen Worte von Churchill, Dewey und Cobb waren nicht nur Lippenbekenntnisse. Sie meinten, was sie sagten. Sie waren geehrt, als sie zu diesen Reden aufgefordert wurden.
2. Geben Sie Ihren Zuhörern ehrliche Anerkennung
C. M. Depew, Präsident einer Eisenbahngesellschaft, früherer amerikanischer Senator und einer der beliebtesten Redner Amerikas, sagte: "Die beste Art, meine Zuhörer zu gewinnen, ist ihnen etwas Schmeichelhaftes über sie zu sagen, das man ihrer Ansicht nach unmöglich wissen kann."
Ich kannte einen Redner, der hierin Meister war: Dr. Conwell, Gründer der Temple Universität und wahrscheinlich bester Redner seiner Zeit. Einen Vortrag, "Acres of Diamonds" (Verborgene Schätze), hielt er mehr als sechstausendmal. Das hieße, mehr als 16 Jahre lang jeden Abend, ein Rekord, der nie zuvor erreicht worden ist. Er erzählte mir, wie er seinen berühmten Vortrag täglich variierte und für jedes Publikum neu zurechtschnitt. Sobald er in die Stadt kam, in der er reden sollte, verbrachte er Stunden damit, prominente Bürger über ihr Leben und ihre Interessen zu befragen. Im Verlauf seines Abendvortrages bezog er sich dann oft auf diese Menschen, die "verborgene Schätze" in ihren eigenen Herzen gefunden hatten. Dr. Conwell gewann allabendlich seine Zuhörer, indem er ihnen ehrliche Anerkennung entgegenbrachte.
Auch mein Freund Jennings Randolph tat das, als er vor Unternehmerinnen in Washington sprach. Meine Frau war auch anwesend und erzählte mir davon. Randolph ist ein vielbeschäftigter Mann, rechte Hand des Direktors der Capital Airlines, früherer Kongreßabgeordneter von West-Virginia und ein sehr begehrter Redner. Sein Terminkalender ist übervoll. Trotzdem nahm er sich die Zeit, etwas über den Club der Unternehmerinnen herauszufinden, bevor er dort sprach.
Er sagte, wie sehr er sich freue, dort zu sein. Dann erwähnte er ein paar verdienstvolle Dinge über den Club, die er erfahren hatte. Die Zuhörerinnen waren von seiner ehrlichen Anerkennung begeistert. Sie mochten ihn gern, weil er sich bemüht hatte, etwas zu erfahren, womit er ihnen ein ehrliches Kompliment machen konnte. Seine Rede war natürlich ein voller Erfolg. Er hielt einen guten Vortrag, gewann aber von vornherein das Interesse seiner Hörerinnen so für sich, daß sie ihm wohl auch sonst gebannt zugehört hätten.
Stellen Sie sich dagegen einen Redner vor, der zu einer Gruppe spricht, ohne zu wissen oder sich darum zu kümmern, ob es um den Kiwani-Club oder eine Vereinigung von Lebensmittelgroßhändlern geht! Viele Zuhörer reagieren auf höfliches Verhalten ebenso schnell wie ein Einzelner, und ebenso schnell auf Unhöflichkeit.
Wie ein Freund uns viele Fehler vergibt, weil er uns mag, sehen auch unsere Zuhörer über unsere Mängel hinweg, wenn sie uns schätzen. Ihnen ehrliche Anerkennung entgegenzubringen ist eine Möglichkeit, sie für uns zu gewinnen.
Wir wollen also nie vor einer Gruppe sprechen, ohne vorher möglichst viel über sie zu erfahren, sei es der Hundefängerverband oder eine Vereinigung von Fabrikanten. Dann wollen wir ein paar Sekunden darauf verwenden, sie an ihre ungewöhnlichen Qualitäten zu erinnern, weil diese uns stolz darauf machen, zu ihnen zu reden.
3. Erwähnen Sie die Namen einiger Zuhörer
In einem New Yorker Rhetorik Kurs beherzigte ein Redner diese Regel so sehr, daß er den Namen jedes Teilnehmers erwähnte. Der Erfolg war kläglich. Die Regel ist sehr gut, solange sie vernünftig angewandt wird. Achten Sie darauf, wie wirksam Churchill in seiner Ansprache im Technischen Institut von Massachusetts einige Namen seiner Hörer nannte: "Wie recht Sie haben, Dr. Compton..." oder: "Dr. Burchard, Dekan der Fakultät für alte Sprachen und Literatur, sprach mit Ehrfurcht von..." oder: "Mr. Bevin, der hierher gekommen ist, um den Atlantik-Pakt zu unterzeichnen" usw. Für jeden Menschen ist sein Name äußerst wichtig. Erwähnen Sie deshalb, wenn immer es möglich ist, die Namen einiger Zuhörer.
4. Seien Sie bescheiden, statt sich in den Vordergrund zu spielen
Bescheidenheit weckt meist Vertrauen und Entgegenkommen. Z. B. gewann Churchill sein Publikum an einer Hochschule, als er mit folgenden Worten begann: "Ich fühle mich, ehrlich gesagt, etwas unberufen, vor diesem gelehrten Auditorium über Dinge zu sprechen, die in Ihren Führungsgremien diskutiert werden. Ich habe weder eine technische noch eine akademische Bildung, sondern nur hier und da ein paar Dinge aufgeschnappt. Daher spreche ich mit großer Scheu, die ich im Verlauf dieser Rede zu überwinden hoffe, über diese Fragen, von denen jede einzelne eigentlich ein lebenslanges Studium erfordert."
Als Churchill sagte, er habe "nur hier und da ein paar Dinge aufgeschnappt, überschüttete ihn sein Publikum mit Applaus. Es bestand ein merkwürdiger Gegensatz zwischen Churchills ungeheurem Wissen und seiner bescheidenen Behauptung. Jeder wußte, daß er zu den Großen seiner Generation gehörte, und man liebte ihn wegen seiner Bescheidenheit.
Die Zuhörer mögen auch die Art, wie Percy H. Whiting über seine Anfänge als Verkaufsleiter erzählte. Er war neunzehn Jahre erfolgreicher Verkaufsleiter verschiedener Firmen und verdiente genug, um später seine eigenen Geschäfte in der Wall Street zu machen. Aber trat er so vor sein Publikum? Nein! Er sagte: "Ich sollte alle Aktien des Kraftwerks in Augusta im Staate Maine verkaufen. Zwei Wochen lang arbeitete ich schwer und verkaufte nur sieben. Da sagte mein Chef: »Percy, Sie sind offensichtlich ein unbrauchbarer Verkäufer, deshalb werde ich Ihr Gehalt erhöhen und Sie zum Verkaufsleiter machen.«" Das mochten die Hörer sehr.
Abraham Lincoln war ein Meister der Selbstironie. Als er 1840 für das Landesparlament kandidierte, nannte ihn sein Gegner, General Taylor, öffentlich einen Aristokraten, weil er in die angesehene Familie Todd hineingeheiratet hatte. Das bedeutete in der rauhen Pionierzeit fast von vornherein eine politische Niederlage.
Lincoln beantwortete diesen Angriff so: "Als General Taylor mit Faltenhemd und Glacéhandschuhen in prächtigen Kutschen umherfuhr, arbeitete ich als kleiner Junge für acht Dollar im Monat auf einem flachen Lastenkahn. Ich besaß nur eine Hose aus Wildleder, das - wie Sie vielleicht wissen - stark einläuft, wenn es naß wird und an der Sonne trocknet. Meine Hose wurde immer kleiner, bis zwischen dem oberen Rand der Strümpfe und dem unteren Rand der Hose die Beine herausguckten. Ich wurde länger und die Hose kürzer und so fest, daß ich an den Beinen blaue Striemen bekam, die man heute noch sehen kann. Wenn Sie das aristokratisches Leben nennen - dann war die Beschuldigung General Taylors berechtigt!"
In der Zeit der Lincoln-Douglas-Debatten wurde Lincoln eines Abends von einer Bläserkapelle ein Ständchen gebracht. Als er auf die dunkle Veranda trat, um zu den Musikern zu sprechen, hielt jemand eine Laterne an sein Gesicht, damit jeder ihn sehen konnte. Lincoln sagte: "Meine Freunde, je weniger Sie mich sehen, umso besser werde ich Ihnen gefallen." Er kannte den Sinn des Bibelwortes: "Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden".
Bei einer Rektorenkonferenz der Berufsfachschulen in Chicago sollte jeder berichten, was er im letzten Jahr Wissenswertes gelernt hatte. Billy Wooton aus Indiana begann seine Rede: "Nie habe ich selbst einen originellen Gedanken gehabt, aber ich kann gut abgucken." Was geschah? Die Zuhörer lachten und bewunderten ihn wegen seiner Bescheidenheit und Ehrlichkeit.
Als Churchill mit Eisenhower sprach, sagte er: "Mir gefällt an Ihnen, das Sie kein Ehrgeizling sind."
Ike bewies, daß er kein "Ehrgeizling" war, als ihm zusammen mit seinem Bruder Milton, einem Universitätsrektor, die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Er sagte: "Dies ist das erstemal, daß es mir erlaubt ist, mit meinem Bruder auf demselben Podium zu stehen, um eine solche Ehrung entgegenzunehmen. Denn in unserer Familie gilt Dr. Milton als der einzig Würdige, in der Öffentlichkeit eine Rede zu halten. Ich gelte bei vielen als alter, unbeweglicher Starrkopf, der sich in einem einfachen Hemd immer noch wohler fühlt als in Hut und Robe."
Wir alle können von Sokrates lernen, einem der weisesten Redner aller Zeiten. Gab er den Menschen Anlaß zu glauben, er halte sich für etwas Besseres als sie? Nein, ganz im Gegenteil. Wie Lincoln, Churchill und Eisenhower war er sehr bescheiden, stelle sich als Dummkopf hin und nahm so den Spöttern den Wind aus den Segeln. "Ich weiß, daß ich nichts weiß" bedeutete für ihn den Anfang der Weisheit. Nachdem ich das Leben von vielen tausend Rednern studiert habe, fand ich heraus, daß ein sicherer Mensch es nicht nötig hat, andere mit seinen Fähigkeiten zu beeindrucken. Nur Versager und unbedeutende Menschen müssen um Anerkennung ringen.
5. Sagen Sie lieber "wir" statt "Sie"
Ich habe Tausende von Reden gehört, die ohne Wirkung blieben, weil der Redner herablassend wirkte. Dieser Eindruck entstand dadurch, daß er meist "Sie" statt "wir" sagte. Sage ich z. B.: "Wenn Sie sich sorgen, sollten Sie sich so viel beschäftigen, daß Sie keine Zeit mehr haben, an Ihren Kummer zu denken", klingt das so, als wollte ich Sie von oben herab belehren. Sehen wir nun, ob es so nicht besser klingt: "Wenn wir uns sorgen, sollten wir uns so viel beschäftigen, daß wir keine Zeit mehr haben, an unseren Kummer zu denken."
Sehen Sie den Unterschied? Wenn wir "Sie" sagen, können wir leicht beleidigend wirken. ACHTUNG: Wenn wir aber immer nur "wir" sagen, kann das auch herablassend klingen. Deshalb sollte diese Empfehlung (wie die dritte) maßvoll angewandt werden.
6. Sprechen Sie nicht "mit finsterem Blick und vorwurfsvoller Stimme"
Unser Gesichtsausdruck und unsere Stimme sagen oft mehr als unsere Worte. Sokrates erkannte dies schon vor Jahrtausenden. Er war überzeugt, Gott habe ihn dazu bestimmt, sich und seine Mitmenschen zu verbessern. Doch wußte er, daß er seine große Aufgabe nicht "mit finsterem Blick und vorwurfsvoller Stimme" erfüllen konnte. Er war nämlich mit einer widerspenstigen Frau verheiratet und merkte, daß ihr "finsteres Gesicht und ihre zornige Stimme" in ihm nur Groll erzeugte und nicht den Wunsch nach harmonischer Zusammenarbeit.
Denken wir also daran, daß wir mit mürrischem Gesicht und vorwurfsvoller Stimme niemals Freunde gewinnen können -ob wir privat oder öffentlich sprechen.
Quintilian lehrte vor 1900 Jahren: "Was schon das Ohr beleidigt, wird kaum Zugang zum Herzen haben." Er könnte noch hinzugefügt haben: Alles, was das Ich verletzt, erregt nur Zorn und Protest. Vermeiden Sie auch den finsteren Blick, selbst wenn Sie Redeangst haben und nervös sind
7. Spannen Sie immer die Brücke von Ihrem Thema zum Anliegen Ihres Publikums - das ist gute Kommunikation
Unsere Hörer haben vor allem Interesse für sich und ihre Probleme. Wenn wir ihnen zeigen können, wie sie glücklicher werden, mehr Geld verdienen und sich nicht mehr zu sorgen brauchen - kurz, das bekommen, was sie wollen, werden sie uns immer gern zuhören. Das gilt auch bei einem Bewerbungsgespräch. Dann kommt es nicht darauf an, was für eine Stimme wir haben, wie wir atmen, stehen, aussehen, uns bewegen oder grammatikalisch richtig sprechen.
Ein Verkaufsleiter erzählte, wie er neue Freunde gewann und ein interessanter Gesprächspartner wurde, weil er die Frage gestellt hatte: "Wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?" Diese Frage, die keine rhetorische Frage ist, habe Wunder gewirkt, besonders bei Freunden. Ich habe seinen Namen und sein Aussehen vergessen, auch wie er redete, aber was er sagte, werde ich nicht vergessen, denn er half mir, eine meiner Schwierigkeiten zu überwinden. Hier ist ein Beispiel dafür, wie man fast jedes Thema so beleuchten kann, daß es die Zuhörer interessiert: Als einer unserer Vertreter aufgefordert wurde, vor Transportunternehmern zu sprechen, entschied er sich für ein Gebiet, das er gut kannte: Kommerzielle Werbung. Er wußte, daß seine Hörer fast alle selbständige Spediteure oder Geschäftsführer und nicht direkt an Problemen der Werbung interessiert waren.
Nachdem er jedoch mit einigen gesprochen hatte, merkte er, daß ihnen das Sinken der Auftragsziffern Sorgen machte. So bezog er sich in seinem Vortrag auf ihre Probleme und begann: "Als Werbefachmann freue ich mich, zu Menschen zu sprechen, deren Auskommen ebensosehr von der Werbung abhängt wie das meine. Wir wissen, daß die Werbung den Strom aller Güter von der Quelle zum Verbraucher in Bewegung setzt, einen Strom durch Eisenbahn und Lastkraftverkehr, wo Ihre Leute arbeiten. Nur durch die Werbung wird das Rad der Wirtschaft in Schwung gebracht, von der jeder hier im Saal sein täglich Brot erwartet." Er sprach dann noch 30 Minuten über die Werbung und konnte seine Hörer gewinnen, weil er sein Thema mit ihren Interessen verband.
8. Ihre Rede soll Ihnen Freude machen
Eine der wichtigsten Grundregeln für das Reden, die ich mir erst mühsam aneignen mußte, heißt: Es ist unbedingt notwendig, daß wir Freude am Sprechen haben. Sonst können wir nicht erwarten, daß man uns gern zuhört. Diese Lehre habe ich nach hunderten von Reden gezogen, die ich überall in Amerika, Kanada und England hielt. Einmal sprach ich in Baltimore und war so erschöpft, daß ich mich auf die Tischkante stützen mußte, um nicht umzufallen. Trotzdem glaube ich nicht, daß meine Hörer mir die Erschöpfung anmerkten, denn ich war von meiner Sache so begeistert, und mir war so viel daran gelegen, sie meinen Hörern mitzuteilen, daß ich gar nicht anders konnte, als mit Freude und Begeisterung darüber zu sprechen.
Welcher Art unsere geistige oder gefühlsmäßige Einstellung auch ist, sie muß auf jeden Fall ansteckend wirken. Wenn wir beim Reden, Singen oder Schlittschuhlaufen Freude haben, müssen die Leute, die uns beobachten oder zuhören, ebenso Freude daran haben. Gefühle sind genauso ansteckend wie Masern!
Das gilt nicht nur für das Sprechen, sondern auch für das Singen, Verkaufen oder jede andere Tätigkeit. Jetzt werden Sie fragen: "Wie kann man aber bei einer Rede solch überschwengliche Freude haben?" Ganz einfach: Sprechen Sie über etwas, worüber Sie mit Recht sprechen können, wobei Ihre Augen leuchten und Ihre Stimme warm klingt. Wenn ich z. B. über Zolltarife reden müßte, würde ich jeden langweilen, mich selbst eingeschlossen. Doch über das Thema "Wie man Freunde gewinnt" oder: "Sorge dich nicht - lebe!" oder: "Die Macht der Begeisterung" zu reden, würde mir (und wohl auch meinen Hörern) immer große Freude machen.
Kein Redner muß unbedingt ein ernstes und wichtiges Thema haben, um das Entgegenkommen seiner Hörer zu gewinnen. Die charmanteste Rede, die ich je hörte, war die einer Hausfrau aus Chicago über Hintertüren. Ein Kursteilnehmer aus Tulsa hielt eine unvergeßliche Rede über Bohnensuppe. Einmal kam meine Frau von einem Kurs in Washington zurück und schien besonders von der Rede eines Herrn Fuller beeindruckt zu sein. Ich fragte nach seinem Thema und erfuhr, daß er über die Zucht tropischer Fische gesprochen hatte. "Ich wußte gar nicht, daß Du Dich für tropische Fische interessierst", staunte ich. "Sie interessierten mich auch nicht", sagte sie, "bis zu dem Moment, wo er zu sprechen begann. Er war so begeistert davon, daß er mich angesteckt hat."
Offensichtlich hatte Herr Fuller diese wichtige Lektion beherzigt, wie wir unsere Zuhörer gewinnen. Er wußte, daß unsere Rede uns selbst Spaß machen soll!
9. Keine unnötigen Entschuldigungen!
Haben Sie schon folgenden Redeanfang gehört: "Ich erfuhr erst vor zwei Wochen, daß ich sprechen sollte, um für den Vorsitzenden einzuspringen. Ich wollte mich zwar darauf vorbereiten, mußte aber eine Reise machen. Auf der Rückfahrt holte ich mir im Zug eine Erkältung, so daß ich heute leider nicht viel sagen kann. Ich bin zwar auch sonst kein guter Redner, aber..." Die Hörer sind ungeduldig, gelangweilt und fragen sich, warum er nicht endlich zur Sache kommt oder still ist.
Nehmen Sie keine Rede-Einladung an, wenn Sie sich nicht entsprechend vorbereiten können. Wenn Sie aber Ihr Bestes tun, brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Andernfalls hilft keine Entschuldigung. Sie vergeuden damit nur Zeit.
Wenn ein Redner krank wird, darf er deshalb absagen. Das sollte er auch mit Rücksicht auf seine Hörer tun. Sind Sie aber nur ein wenig heiser oder haben sonst etwas, was Sie kaum am Reden hindert, brauchen Sie sich nicht zu entschuldigen. Die Hörer interessieren sich viel mehr für das, was Sie zu sagen haben als für Ihren Gesundheitszustand.
Wenn wir aber aus unvermeidlichen Gründen (Verspätung des Flugzeugs, Zuges oder dergl.) zu spät kommen, sollten wir kurz die Umstände erklären, uns höflich entschuldigen und dann mit der Rede fortfahren, ehe noch mehr Zeit verlorengeht.
Kennen Sie "Alice im Wunderland"? Dann kennen Sie sicher auch Mad Hatter, der sich vor Gericht verantworten sollte und stattdessen vor dem Herzkönig auf die Knie fiel, die Hände rang und sagte: "Ich bin ein armseliger Mann, Euer Majestät... ich bin ein armseliger Mann... (Schluchzen)... ich bin ein armseliger Mann..." Der König verhöhnte ihn: "Auf jeden Fall bist du ein armseliger Redner!" Genauso denken auch die meisten von uns über den Redner, der uns mit Entschuldigungen überschüttet.
10. Appellieren Sie an das Gute in Ihren Hörern
Louis N. Noferi, ein Kursteilnehmer aus New York, fesselte uns mit einer einfachen, kurzen und bewegenden Rede: "Vor drei Jahren sagte mir unser Arzt, daß mein Vater nur noch wenige Wochen zu leben hätte. Von da an verbrachte ich viel Zeit bei ihm im Krankenhaus. Merkwürdigerweise war es mein Vater, der meist sprach. Eines Tages sagte er zu mir: »Lou, warum hast Du mich nie gebeten, zu Deiner Schulabschlußfeier zu kommen?« Ich war bestürzt und antwortete ihm kläglich: »Solche Feiern sind doch unwichtig.« Er erzählte mir dann, daß er einmal solch eine Feier miterlebt und sich seitdem sehnlichst gewünscht hatte, auch seinen Sohn eines Tages in Hut und Robe zu sehen. Ich schämte mich. Nie hätte ich es mir träumen lassen, daß es ihm so viel bedeutet, mich bei der Diplomverleihung zu sehen. Er fragte mich auch, warum ich Maschinenbau und nicht Medizin studiert, ob ich auf der Universität Fußball gespielt hätte und vieles andere aus meiner Studentenzeit. Da wurde es mir erst klar, daß er immer mein Vertrauen gesucht hatte und nicht nur mein Vater, sondern auch mein Freund hatte sein wollen. Ich konnte nur mit Mühe meine Tränen zurückhalten. Jetzt, wo es zu spät war, merkte ich erst, daß ich ihn immer abgewiesen hatte, wenn er sich für mich interessierte. Das hatte ich gar nicht gewollt. Ich hatte ihn einfach nicht verstanden!
An seinem Krankenbett merkte ich endlich, wie verständnisvoll er immer gewesen war. Zu spät begriff ich, daß ich die Gelegenheit verpaßt hatte, in ihm einen Freund und Kameraden zu haben. Jetzt kann ich es nicht mehr ändern."
Diese Rede weckte in uns allen Zuneigung und Liebe für unsere Eltern. Sie ließ in uns den Wunsch entstehen, bessere Söhne und Töchter zu sein. Sie gab uns größeres Verständnis für Väter und Söhne. Wir mußten Louis Noferi einfach schätzen, weil er an die Wurzeln der Liebe und Güte gerührt hatte, die tief in uns allen ruhen.
Mag auch die Welt im argen liegen, unsere Herzen sind bewegt von großen menschlichen Gefühlen, wie Mut, Liebe, Güte und Opferbereitschaft. Wer das Gute in uns wachruft, tut recht daran. Ob wir uns darüber klar sind oder nicht, das sind die Ideale, auf denen wir unser Leben aufbauen. Napoleon und Hitler sind an ihre Zeit gebunden und werden nach Jahren nur furchterweckende Namen sein. Johanna von Orleans aber wird immer ein lebendiges Beispiel bleiben.
Es ist nicht leicht, unsere Hörer durch Anrühren dieser großen Gefühle zu begeistern. Zuerst müssen wir selbst davon bewegt sein, und das sind wir nicht oft. Wenn aber mit Ihrer einfachen Kommunikation der Funke der Begeisterung gezündet hat und überspringt, wird uns ihr Feuer lange in Erinnerung bleiben.
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11. Lehnen Sie sich nicht gegen Kritik auf - begrüßen Sie sie!
Kein anderer Wissenschaftler wurde wohl so oft kritisiert wie Darwin mit seiner Evolutionstheorie. Trotzdem hatte er nie ein böses Wort für seine Kritiker. Im Gegenteil, er dankte ihnen und erklärte, daß es der Sinn des Lebens sei, die Wahrheit aufzudecken. Dabei wären zwei Ansichten immer besser als eine. "Wenn ich Unrecht habe, ist es gut, daß ich so früh wie möglich darauf hingewiesen werde."
Einen Menschen mit dieser Haltung müssen wir bewundern. 1700 Jahre vor Darwin lehrte Epictet: "Wenn jemand etwas Schlechtes über Sie gesagt haben soll, verteidigen Sie sich nicht. Sagen Sie vielmehr: »Er kannte meine übrigen Fehler nicht, sonst hätte er nicht nur hierüber gesprochen!«"
Der britische Gesandte in Amerika, Lord Halifax, bemühte sich 1941 darum, daß sich die Vereinigten Staaten im Krieg gegen Hitler mit England zusammenschlossen. Viele Mütter waren darüber empört. Nach einer Rede bewarfen ihn ein paar zornige Frauen mit Eiern. Als er sah, wie das Eigelb an ihm herunterlief, sagte er nur: "Und in England gibt es so wenige." Einen Mann, der Kritik und Eier so behutsam behandelt, muß man bewundern.
Wenn Ihnen einmal während der Rede, eine kritische Frage gestellt wird, oder es kommt ein Zischenruf, dann ist Schlagfertigkeit gefordert. Schlagfertigkeit kann man lernen. Hier finden Sie einen extra Artikel zur Schlagfertigkeit.
12. Seien Sie nach Quintilian "gute Menschen, die etwas zu sagen haben"
Aristoteles sagte: "Der Charakter eines Redners ist fast das wirkungsvollste Mittel seiner Überzeugungskraft". Dafür war mein Vater ein lebendes Beispiel. Er verbrachte sein ganzes Leben auf Farmen in Missouri. Er hatte wenig Schulbildung, keine Kenntnisse in Geschichte oder Literatur und war nicht redegewandt. Er fühlte sich auf dem Feld oder im Kuhstall wohler als vor einem Publikum. Hätte mir jemand während meiner Studienzeit gesagt, er sei sogar ein recht guter Redner, ich hätte nur gelacht. Doch jetzt, nach vielen Jahren, wird mir klar, daß er ungewöhnlich erfolgreich war, wenn er z. B. vor der ländlichen Kirchengemeinde ein paar Worte zu sagen hatte. Warum? Weil er Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit ausstrahlte und immer den Wunsch hatte, anderen zu helfen. Quintilian hätte ihn bestimmt bewundert, denn er nannte einen erfolgreichen Redner "einen guten Menschen, der etwas zu sagen hat".
Alle Beredsamkeit kann den Mangel an Aufrichtigkeit nicht aufwiegen. Wenn wir unsere Hörer gewinnen wollen, müssen wir sie von der Ehrlichkeit unserer Absichten überzeugen. Auch wenn sie unsere Meinung nicht teilen, müssen sie doch unsere Glaubwürdigkeit respektieren, wenn wir erfolgreich sein sollen.
Unser Wesen sagt mehr als unsere Worte. Aufrichtigkeit, Selbstlosigkeit und Bescheidenheit gewinnen die Hörer. Einmal wurde ein bekannter Fabrikant in Oklahoma gebeten, vor den Mitgliedern einer politischen Partei zu sprechen. Er sagte, er habe noch nie in der Öffentlichkeit geredet, er sei eine Waise und habe nur ein paar Jahre die Volksschule besucht, er rede grammatikalisch falsch und ungehobelt. Er habe die Aufforderung nur angenommen, weil er glaube, über eine Sache von großer Wichtigkeit sprechen zu müssen.
Dann erzählte dieser Mann von seiner Kindheit als Waise, von den ungeheuren Schwierigkeiten, die er zu überwinden hatte, um sich nach langem Kampf eine Existenz aufzubauen, wie gesetzliche Vorschriften seinem Geschäft und seinen Angestellten immer wieder geschadet hatten. Aber dieser einfache Mann, der sich mit eigener Kraft emporgearbeitet hatte, sprach mit ehrlicher Leidenschaft, die seine Hörer bannte. Er hatte gearbeitet und gelitten, und er mußte einfach darüber reden. Seine innere Überzeugung war so stark, daß alle Formfehler unwesentlich erschienen. Man erzählte mir, daß er der beste Redner sei, den der Club je gehört hatte. Dabei war er ein ungeübter Redner! Aber er war, wie mein Vater, ein guter Mensch, der etwas zu sagen hatte. Die Hörer waren von seinem Wesen ebenso beeindruckt wie von seinen Worten.
Wir mögen einen ungeschickten Redner, der Ehrlichkeit ausstrahlt, lieber als einen geschliffenen, der uns nur durch seine Rhetorik beeindrucken will.
Ihre Zuhörer gewinnen
- Wenn Sie geehrt sind, vor einer Zuhörerschaft zu sprechen - sagen Sie es!
- Geben Sie Ihren Zuhörern ehrliche Anerkennung.
- Erwähnen Sie die Namen einiger Zuhörer.
- Seien Sie bescheiden, statt sich in den Vordergrund zu spielen.
- Sagen Sie lieber "wir" statt "Sie".
- Sprechen Sie nicht "mit finsterem Blick und vorwurfsvoller Stimme".
- Machen Sie die Brücke zum Hauptanliegen Ihrer Zuhörer.
- Ihre Rede soll Ihnen Freude machen.
- Keine unnötigen Entschuldigungen!
- Appellieren Sie an das Gute in Ihren Hörern.
- Lehnen Sie sich nicht gegen Kritik auf - begrüßen Sie sie!
- Seien Sie nach Quintilian "gute Menschen, die etwas zu sagen haben".
Zum Anfang: Teil I
Letztes Update: 14. Januar 2017