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Gute Rhetorik nützt der Gesundheit

aus dem Gesundheitsmagazin "Mens Health" vom September 1998


Natürlich würden wir nie auf die Idee kommen, im Anzug zum Sport zu gehen oder in Trainingsklamotten zum Geschäftstermin. Bei der Bekleidung fällt es uns vergleichsweise leicht, in die richtige Schublade zu greifen. Wenn es aber darum geht, bei dieser oder jener Gelegenheit den richtigen Ton anzuschlagen, tun wir uns bedeutend schwerer. Dabei haben wir in jeder Lebenslage die Möglichkeit zu brillieren oder aber ins Fettnäpfchen zu treten. Es kommt nur darauf an, die richtigen Worte für die jeweilige Situation zu finden. Wir haben Ihnen da 13 erfolgversprechende Strategien anzubieten.

Humor
Man sitzt in angespannter Runde, der Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern zieht sich, und je größer die Gesprächspausen werden, desto stärker wird die Versuchung, die förmliche Atmosphäre mit ein paar guten Witzen aufzulockern. Doch egal, wie lustig Sie die Antwort auf die Frage finden, warum Frauen so kleine Hände haben (damit sie beim Putzen besser in die Ecken kommen!) , behalten Sie sie für sich. Holger Münzer, Dozent für Rhetorik an der Universität der Künste in Berlin: "Ich warne vor absichtlichem und zu gewolltem Humor. Sonst wirkt man wie ein Uralt-Conférencier, der selbst am meisten über seine eigenen Witze lacht."

Gerade weil Humor so einen starken Zauber hat, sollte er nur in homöopathischen Dosen eingesetzt werden, um seine wohltuende Wirkung zu entfalten. Am überzeugendsten präsentiert er sich in Gestalt von Selbstironie. Anderen zu signalisieren, daß man sich nicht zu ernst nimmt, ist gleichermaßen der beste aller Witze. Auf diese Weise öffnen Sie die Herzen der Anderen und sorgen dafür, daß sie mit Humor in allen, gerade auch in schwierigen Situationen brillieren können.

Komplimente
Endlich, der wohlverdiente Jahresurlaub naht. Alles ist bestens organisiert. Bis auf eine winzige Kleinigkeit: die Unterbringung Ihres geliebten, aber pflegeleichten Hundes. Keine Sorge. Nachbarn, Freunde, und Bekannte werden sich darum reißen, Ihnen den Gefallen zu tun, wenn Sie mit ein paar Komplimenten gute Vorarbeit leisten. "Bei Komplimenten gilt das alte Prinzip: schenke jemandem eine Kleinigkeit, und er wird sich rächen. In positivem Sinne natürlich", erläutert Managertrainer Gerhard Jantzen vom Institut für Persönlichkeitsorientierte Unternehmensführung "implus" in Bad Dürkheim.

Es ist ein zwischenmenschliches Phänomen, daß wir eine Gefälligkeit geradezu zwanghaft mit einer anderen ausgleichen müssen. "Wenn Sie jemandem etwas schenken - und Komplimente sind ja geschenkte Aufmerksamkeit - entsteht beim Anderen ein psychologischer Druck. Er will sein emotionales Konto beim Anderen wieder ins Plus bringen."

Allerdings müssen Sie es richtig anpacken: Komplimente sollten von Herzen kommen, sich auf Fakten beziehen, und nicht überzogen sein. Mit "das tiefe Blau Ihrer Augen raubt mir den Verstand" werden Sie Ihre sechzigjährige Nachbarin eher dazu bringen, Sie als Irren zu verdächtigen, als zwei Wochen auf Ihren Hund aufzupassen. Ein "Ihre neue Frisur steht Ihnen wirklich phantastisch! Können Sie mir die Nummer Ihres Friseurs geben!" kann dagegen Wunder wirken. Nicht nur bei der Nachbarin. Kein Mensch kann sich der Wirkung von Komplimenten entziehen.

Zynismus
Ihnen macht keiner mehr etwas vor. Sie wissen, daß die Welt schlecht ist und man heutzutage keinem Menschen mehr trauen kann. Gern verleihen Sie diesem Wissen mit ein paar wohlgesetzten und bissigen Statements Ausdruck. Schon um den Anderen die Illusionen zu nehmen, die längst das "naiv" aus Ihrem Repertoire gestrichen haben. Das mag zwar ein verständlicher Charakterzug sein, ein mitreißender ist es nicht gerade. "Zynismus ist die bitterste Art von Ironie", so Holger Münzer. Und sie ist ein absoluter Gesprächskiller. "Diese Form des Statements nimmt anderen die Möglichkeit, etwas beizutragen. Sie können dagegen einfach nichts mehr machen.

Außerdem zeigt man durch Zynismus doch nur seine eigene Machtlosigkeit, und man sagt damit oft mehr über sich selbst und seine Befindlichkeit als über den Gegenstand des Gesprächs."

 

 Rhetorik
 
Letztes Update: 18. März 2017